Berlin scheint Ende der 1990er Jahre eine einzige Großbaustelle zu sein, auch zwischenmenschlich: „Ich heiße Alex – wie der Platz“ stellt sich Kranführer Alex großmäulig vor. Er wurde von Frau und Kind verlassen und haust in einem Container auf der Baustelle. Die bosnische Friseurin Svetlana, die noch nicht lange in der Stadt ist, bangt um ihre Aufenthaltsgenehmigung und prostituiert sich auf dem Tiergarten-Strich. Dort steht auch die frühere Kindergärtnerin Ruth, die auf eine Umschulung wartet: Drei einsame Seelen, die sich eines Nachts begegnen …
Es ist eine einfache, unprätentiöse Geschichte, die der irischstämmige Regisseur Eoin Moore mit tollen Schauspielern und ohne Drehbuch improvisiert. Die rohen Bilder eines längst untergegangenen Berlins sind unterlegt mit Neunzigerjahre-Musik von Fiona Apple über Radiohead bis Element of Crime. Gedreht wurde plus-minus null mit zwei kleinen Handkameras auf digitalem Video und im Stil der Dogma 95-Bewegung, aber mit deutlich mehr Lebensfreude: „Und gerade weil Alex‘ berlinerndes Genöle und das im Mundwinkel auf und ab wippende Streichholz einem so schrecklich auf die Nerven gehen, hat man das Gefühl, solchen Typen schon häufig begegnet zu sein. Im merkwürdigen Berlin, für dessen Wahrnehmung dieser schöne, kleine Film die Sinne schärft.“ (Daniela Sannwald, Der Tagesspiegel, 30.3.2000) Für den Kinostart wurde die nur 60.000 DM teure Produktion auf 35mm-Filmmaterial umkopiert, was eine ganz eigene Ästhetik hervorruft, die heute längst (medientechnische) Filmgeschichte ist.
Einführung: Frederik Lang
Am Freitag, den 3. Mai 2019, um 19:00 Uhr im Zeughauskino