Das zweite Leben (BRD/Frankreich 1954, R: Victor Vicas, D: Michel Auclair, Barbara Rütting, Simone Simon, Bernhard Wicki, Gert Fröbe, 90 Minuten)
Die Geschichte eines Identitätsverlusts im Zweiten Weltkrieg, die den Nationalismus als Ideologie ad absurdum führt und stattdessen zur Völkerverständigung aufruft. Mitten im Krieg verwandelt sich ein Franzose, der sich aufgrund einer Verwundung an nichts erinnern kann, in einen Deutschen. Er schlüpft in die Haut seines Feindes. Dieses Gleichnis wirkt zunächst ziemlich verworren und sperrig. Was aber an der deutsch-französischen Koproduktion fasziniert, ist neben ihrer sorgfältigen Inszenierung und der vorzüglichen Leistung der Schauspieler die Ernsthaftigkeit, mit der der Regisseur Victor Vicas die Geschichte erzählt.
Vicas selbst war ein Heimatloser: Geboren 1918 in Russland als Kind jüdischer Eltern, emigriert er 1925 nach Deutschland und 1933 weiter nach Frankreich. Im Zweiten Weltkrieg kämpft er zuerst in der französischen und später in der amerikanischen Armee gegen den Faschismus. Danach dreht er Dokumentar- und Spielfilme in Israel, Amerika, Deutschland und Frankreich, wo er 1985 stirbt. Immer wieder kreist Vicas in seinem fast vergessenen Oeuvre um die gleichen Themen: Politik und Gewalt, Grenzen und Widerstand.
DAS ZWEITE LEBEN hat Vicas mit symbolischer Bedeutung aufgeladen. Das irritiert und packt zugleich: „Ein wunderlicher und äußerst persönlicher Film, frei nach Giraudoux‘ ‚Siegfried‘ von 1928. Mühelos geht Vicas von den Unterströmungen des Zweiten Weltkriegs zum Intim-Problematischen über, indem er den Kriegsversehrten Helden, waschechter Franzose und Maler, von deutscher Rot-Kreuz-Schwester im Rheinland gesund pflegen und Deutsch lernen läßt, wonach der träumerische Bohemien sich fortan für einen strammen Deutschen hält, da er das Gedächtnis verloren hat. ‚Potz Wotan‘ rief Gunter Groll seinerzeit in der SZ aus angesichts der Seltsamkeit, daß dem urfranzösischen jungen Malergenie nunmehr vor allem an der Reinerhaltung der deutschen Kunst von jeglichen fremden Einflüssen gelegen ist.“ (Peter Nau, Süddeutsche Zeitung, 4.3.1999)
Einführung: Philipp Stiasny
Kopie: Bundesarchiv-Filmarchiv
Am 2. November 2007, 19.00 Uhr, im Zeughauskino